Ein weltmeisterlicher Vogel hat bei den Zugvögeln seine Heimat gefunden.
Seit Anfang Juni 2014 fliegt ein Vogel über Langenfeld und Hilden, der bisher noch nicht hier heimisch war. Man kann ihn zweifelsfrei an dem außergewöhnlichen Flugbild und dem einzigartigen Pfeifen bei der Landung erkennen. Er hat überwiegend weißes Gefieder mit einigen blauen Stellen an Flügel, Schwanz und an der Nase. Es ist einer der eindrucksvollsten Vögel überhaupt – der Kranich.
Rund 8000 Brutpaare leben heute in den Bruchwäldern und Auen Deutschlands. Rund 300.000 Kraniche wählen alljährlich eine südwestliche Zugroute, auf der sie Deutschland in schmaler Front überqueren, um die kalte Jahreszeit in Frankreich, Spanien oder im Nordwesten Afrikas zu verbringen.
Der Vogel hat 36 Geschwister
In der kalten Jahreszeit steht unser Vogel, der auf den Namen Kranich III hört, eher in der warmen Werkstatt und lässt sich das Gefieder aufpolieren und wartet brav auf den nächsten Frühling. Insgesamt hat er nur 36 Geschwister, die ab 1951 alle bei Focke-Wulf in Bremen aufgezogen wurden. Angeblich sollen noch zwölf davon fliegen.
Der Kranich ist auf jeden Fall ein direkter Vorfahre vom Airbus A380. Die Unternehmensteile von Focke-Wulf wurden irgendwann von Airbus übernommen. Diese haben Focke-Wulf wahrscheinlich nur wegen der Konstruktionspläne für den Kranich III erworben und auf dieser Grundlage in den 70ern den Airbus entwickelt.
Kraniche sind ausdauernde Flieger und können bis zu 2000 Kilometer nonstop zurücklegen, wobei kürzere Tagesetappen von 10 bis 100 km eher die Regel sind. Im Flug erreichen sie eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 45 bis 65 km/h.
Ein Flug wie eine Ballonfahrt
Die Durchschnittsgeschwindigkeit und die Länge der Tagesetappen passen in etwa auch für den gleichnamigen Vogel aus Holz und Stahlrohr. Mit dem Kranich eine Strecke von 2000 km zu bewältigen, scheint aber aussichtlos, da ein Flug mit diesem Doppelsitzer eher einer Ballonfahrt gleicht. Aber dafür steigt ein Kranich aufgrund seiner Segelfläche von fetten 21 Quadratmetern – zum Vergleich, der Arcus hat gerade mal schlappe 15,6 Quadratmeter – wie ein Luftballon. Dennoch war der Kranich III in den 50er Jahren des letzten Jahrtausend das, was heutzutage ein Hochleistungsdoppelsitzer wie der Arcus ist.
Der Kranich wurde von Luftfahrtpionier Hans Jacobs, damaliger Chef der deutschen Forschungsanstalt für Segelflug (DFS), konstruiert, der auch schon die erfolgreichen Segelflugzeuge Habicht und Weihe erschuf. Den Erstflug führte Hanna Reitsch vor rund 62 Jahren am 1. Mai 1952 durch.
Heinz Hut hat im Cockpit Platz genommen
Das Langenfelder Exemplar ist ein wenig jünger. Unser Kranich ist erst 1953 geschlüpft. Aber auch er hat Berühmtheiten durch die Lüfte geschaukelt. Erster Eigentümer unseres Kranichs war Segelflugweltmeister Heinz Huth persönlich. 1955 wurde mit diesem Exemplar ein 500er-Dreieck geflogen – Wiederholung tut not. Am Knüppel, zumindest an einem, war Heinz Huth. Leider ist für eine genauere Ahnenforschung das erste Bordbuch in Oerlinghausen verschüttgegangen.
1986 haben vier Fliegerkollegen nach dem Beschluss eines bierseligen Abends den Kranich III in Oerlinghausen erworben und nach Dinslaken verfrachtet. In dieser Zeit ist er oft in ungeahnten Höhen über der Steiermark gesichtet worden. Das hatte dann allerdings aufgrund der guten Abdichtung „kalte Füße bis zum Kinn“ zur Folge.
Nun ist der Vogel in Langenfeld angekommen und verbreitet den Hauch einer vergangenen Ära. Erst aus der Entfernung und mit anderem Blickwinkel sieht man, wie toll man aussehen kann, wenn man über 60 ist.
Schön, dass schon so viele von uns mitgeflogen sind.