Carsten hatte vor einigen Tagen die Gelegenheit, einen Habicht über der Hildener Heide in allen Fluglagen zu erproben. Hier berichtet er von seinen Eindrücken und erzählt, wie es dazu kam.
Von Carsten Richartz
„Habichte sind mittelgroße Greifvögel. Die Flügel sind relativ kurz, breit und an ihren Spitzen gerundet, der Schwanz ist relativ lang. Diese Merkmale sind typisch für die überwiegend waldbewohnenden Vertreter der Gattung Accipiter, sie ermöglichen keine extremen Fluggeschwindigkeiten, jedoch eine hohe Wendigkeit auf engem Raum. Der Habicht wurde vom Naturschutzbund Deutschland zum Vogel des Jahres 2015 gewählt.“ – so steht es in Wikipedia.
Vieles davon gilt wohl auch für die Konstruktion von Hans Jacobs aus dem Jahre 1936, an die Oldtimerfreunde unter den Segelfliegern denken, wenn sie den Namen Habicht hören. Die Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug (DFS) erhielt damals den Auftrag, ein vollkunstflugtaugliches Segelflugzeug zu entwickeln und so entstand der Habicht in Holzbauweise als Mitteldecker mit 13,60 m Spannweite in optisch ähnlicher Auslegung wie die zuvor von Jacobs entworfenen Muster Rhönsperber und Kranich II mit ihren charakteristischen Knickflügeln. Der voluminöse Rumpf, die große Flügeltiefe und die runden Randbögen verleihen ihm ein mächtiges gedrungenes Aussehen. Der lange Hebelarm um die Querachse und die großen Ruderflächen sorgen für hohe Wendigkeit im Kunstflug. Alle Ruder sind zudem massenausgeglichen oder mit aerodynamischen Hilfen versehen, um die Steuerung für einen breiten Geschwindigkeitsbereich bei beherrschbaren Ruderkräften zu ermöglichen. Üblich für die Entwurfszeit war eine Kufe mit Abwurffahrwerk und ähnlich dem Grunau Baby eine offene Haube mit Windschild.
In kurzer Zeit sind etliche Flugzeuge gebaut worden, wovon keines mehr flugfähig erhalten geblieben ist. Mitte der 80er Jahre hat dann der Oldtimersegelflugclub Wasserkuppe (OSC) nach Originalplänen einen Habicht neu erbaut. Inzwischen gibt es zwei weitere Nachbauten, die auf Flugtagen oder Oldtimertreffen zu bestaunen sind.
Beim Gummiseilstart-Lehrgang des OSC auf der Wasserkuppe traf ich einen guten Freund vom Fluglehrerlehrgang wieder, der mich überzeugte, auch als Lehrer für Gummiseilstarts auf der Kuppe mitzuwirken. Im Winter reifte dann die Idee, den Habicht in den Osterferien an ihrem Heimatflugplatz nach Bergheim zu holen.
Beim Einsteigen ist Klettern angesagt.
Für den Piloten is viel Platz im Cockpit. Mit meinen 1,85 m sitze ich schon recht tief in der Kontur der Haube. Eine Pedal- und Sitzverstellung gibt es nicht. Ich passe gut hinein, aber bequem im heutigen Sinne ist es nicht. Wie kleinere Piloten ohne Kissen (ein No-Go beim Kunstflug) darin sitzen sollen, ist mir ein Rätsel.
Die Querruderwirkung im Anrollen ist sehr gut, die Sicht nach vorn zum Schleppflugzeug ist ebenfalls hervorragend. Zu beachten ist, dass das Abwurffahrwerk direkt nach dem Abheben ausgelöst und noch über den Startbahn abgeworfen wird. Die Lage im Schlepp lässt sich gut kontrollieren. Auffällig ist sofort, wie agil und wendig und zugleich leichtgängig sich der Habicht steuern lässt. Bei turbulenten Bedingungen erfordert dies bedachte, konzentrierte Ruderausschläge. Sonst hat man schnell das Gefühl, auf einer Kanonenkugel zu sitzen.
Nach dem Ausklinken zeigen schon die ersten Rollübungen und Kreiswechsel die hohe Rollrate des Habichts und seine hervorragenden Kunstflugeigenschaften. Alle Ruder sind sehr wirkungsvoll und harmonisch abgestimmt. Er besitzt eine ausgeprägte Trudelneigung im langsamen Kreisflug. Die Flugsicht zu den Seiten ist etwas durch die Flügelform beeinträchtigt. Die Flügelspitzen werden vom Knick verdeckt, was besonders bei der Landeeinteilung stört. Ein Slip zur Landung ist obligatorisch, da die nach oben ausfahrenden Störklappen kaum wirken.
Nach meinem ersten Flug wich das Grinsen kaum mehr aus meinem Gesicht und ich bekam Lust auf mehr. Insgesamt konnte ich bei fünf Starts 3:15 Stunden Flugzeit verbuchen und den Habicht auch in der Thermik und im Kunstflug ausprobieren. Das Schöne ist, dass der Habicht gut segelt. Sein Eigensinken liegt zwischen dem einer Ka 8 und eines Grunau Baby. Die Wendigkeit ist ein klares Plus. So kann man erfolgreich mit anderen kurbeln und manch modernes Flugzeug auch mal „alt“ aussehen lassen.
Reizvoll ist natürlich, das Flugzeug im Kunstflug zu bewegen. Ich habe mich langsam herangetastet und erst mit Looping und Aufschwung begonnen. Es war sofort zu spüren: Dafür ist der Habicht gemacht! Es folgten problemlos Rollen und Rückenflug. Die offene Haube, das damit verbundene Fluggefühl und die fehlende Peilung über die Flächenspitze fordern mich heraus. Seine Leistung ist im Standard-Kunstflug-Programm durchaus mit dem Fox vergleichbar, wenn auch in einem niedrigeren Geschwindigkeitsbereich.
Überraschend war für mich der Eindruck, dass der Habicht im Rückenflug wenig an Gleitleistung verlor – sowohl beim Kurbeln als auch im längeren Geradeausflug. Die im Buch „Die Evolution der Segelflugzeuge“ abgedruckte Rundumpolare des Habichts bestätigt diese Beobachtung. Einfach ein tolles Flugzeug!
Das vom Thermikflug Ende März im Gesicht sitzende Grinsen ist immer noch festgefroren. Es war ein tolles Erlebnis. Vielen Dank dafür an Opa Thies und den OSC.
Für mich gilt schon jetzt: Der Habicht – mein Vogel des Jahres 2018!